Mittwoch, 14. Juni 2017

Essen statt Sex.

Stellen wir uns für einen Moment vor,
nicht ein altgewordener, gescheiterter Lüstling und Schürzenjäger,
sondern ein adipöser Lebemann
hätte die Worte gehört:
"Nimm, und lies".

Stellen wir uns vor,
dieser Augustin hätte sein Lebensproblem in der Paradiesgeschichte wiedergefunden
und zur  Sünde erklärt, wie der echte es tat.

Es hätte  gut funktioniert.
Schließlich geht es im Paradies gar nicht um Sex,
sondern um Essen.
"Du sollst nicht begehren":
die vielbemühte concupiscencia
bezieht sich ja immerhin auf einen Apfel.

Nichts hätte näher gelegen, als das Begehren mit Essen
zu verknüpfen.

Stellen wir uns vor,
nicht sexuelle Gier,
sondern unstillbarer Hunger
also Völlerei
wäre zur Grundsünde des westlichen Christentums geworden.

Wären wir heute
sexuell so ungezügelt und unbekümmert,
wie wir es beim Essen sind,
und beim Essen so verklemmt,
wie wir es (immer noch und noch für lange)
beim Thema Sex sind?

Ich habe gerade die Phantasie,
dass die Tiere dafür recht dankbar wären
und die geschundene Erde auch
und all jene erst, die unter sexueller Diffamierung leiden.
 (obwohl ja, wie mir scheint,
das Essen allmählich doch zur Erbsünde wird)

Ich habe gerade die Phantasie,
dass wir ein völlig anderes Abendmahl feierten
schließlich kommt die Erlösung
in Gestalt von Brot und Wein:
sie spräche das Problem direkt an
und nicht erst über einen
gequälten Umweg.



Natürlich stelle ich mir eigentlich vor,
wie die westliche Christenheit wohl
aussähe
wenn es Augustin überhaupt nicht gegeben hätte
und wir immer zuerst von der Gnade sprächen
anstatt ständig die Sünde zu beschwören.