Samstag, 18. Dezember 2021

Kreislauf

Jedes wort ein schrei

Jeder schrei ein gesang

Jeder gesang ein tod

Jeder tod ein wort.   

Samstag, 4. Dezember 2021

Adventsangst

Kommt nicht, Er  

Sei schon da, sagt man. 

War nie gewesen, log man

Gibts nicht, Geschrei.

Kommt doch. 

Wenn zu spät ist

für mich. 

Geständnis

 Liebe sagst du

hemdsärmelig wie ein Tierarzt 

lächelst wie ein Holzfäller

Liebe sagst du

fröhlich wie ein Metzger

 und strahlst wie ein Ringer 

Liebe sage ich

und erschauere. 

Trister Advent.

Steingrauer Dezemberschlamm schlottert durch den Advent. 

Gebimmel erstickt. Lebkuchen klebt am Gaumen,

Da kommt nichts. Gänseklein die Welt, mit Weihrauch gewürzt, aber umsonst. Es stinkt.  

Hängende Rosen als Sommerkadaver hoffnungslos

warten auf Frost. Wo er nur bleibt: es ist zu warm.  

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Zerbröseln

 Zerbröseln spurlos 

wie trockener kuchen

saftlos schon gestorben 

ausgelaufen in tagvoller allerleifron

grablos vererdet: wiederstaubwerdung

nicht mal düngertauglich

vergessen vor dem vergessen

gar nicht erst gekannt

außer von 

Dir  


Montag, 29. November 2021

Adventsgebet

Aus dem schleim erhob sich

atmender rotz eierplempig

fädenziehend umschlangen sich 

basen und stickstoff und tanzten 

das leben mühsam geht der geist voran

vielleicht wissen pilze da mehr

es hat ja mit dem spiegeln

nicht so geklappt 

es war wohl nur fluchschleim 

Nun komm und

probiere es bitte 

noch einmal  diesmal vielleicht

mit silizium gib

dem stein eine chance 

der denkende rotz hat’s vermasselt

wer wüsste das besser als

Du 



Samstag, 12. Juni 2021

Rostet nicht

 Unerfüllt reißt du mir

das herz raus 

und schöner wirst du mit den jahren

des eigenen Zerfalls

die trübenden Augen sehen

immer klarer was

hätte sein können wir

werden nie wissen 

ob 

Samstag, 1. Mai 2021

Frühling

 Die Vögel singen: 

„Bleibe noch!“

Und selbst der Rabe krächzt: 

„Ein Weilchen!“ 

So Sitz ich denn

Auf meinen Stock gestützt

Und Pose fürs letzte Bild: 

Herbstmann. 

Freitag, 30. April 2021

Frühlingsatem

 Wie warm das wärmt

im noch kümmerlichen morgenlicht 

Nicht mehr kalthaft zersägte luft

atemschneidend tödlich

Wie tee mehr rinnt sie 

schmeichelnd zartköstlich

mit gras und erdegeschmack

vogelsanggesättigt 

jeder zug ein glück:

Frühling !

Donnerstag, 22. April 2021

Humortumor

Das lachen verging 

mit ihm die poesie

was bleibt 

ist lyrik.  

Samstag, 10. April 2021

Pathos beimZähneputzen

 Sterben muss sein

aber bitte nicht an

verfaulendem zahnfleisch 

so kämpfe ich mit gebleckten zähnen

vor dem geduldigen spiegel 

mit dem schwert einer billigen bürste 

den unsichtbaren tod. 

Und rieche auch gut aus dem mund,

dem schändlichen wörtervulkan. 

Sonntag, 4. April 2021

Granatsplitter

Zerborstene sätze

modern in den gräben der sprache

ihre glieder zersplittert

seit die granate 

nicht mehr nur schmuck ist

und paradiesischer apfel 



Osterwünsche

 Niemals so sterben wie er. 

Einmal so erwachen wie er 

Immer so glauben wie er. 

Ewig so sein wie er. 

Donnerstag, 25. März 2021

Tatenlüge

Zufrieden wie nach billigem sex

ermattet von der eigenen güte

sinkt der gerechte, sinkt die edle 

im bett ihrer werte nieder 

sie suhlen sich kindisch

im glück der vortrefflichkeit: 

wie leben wir doch mit der wahrheit im einklang

und lassen uns nicht von der dummheit der welt 

lähmen und knechten! 

in der hölle knallen indessen die korken: 

tugendhaft ist das gefängnis der sünde  

 



Samstag, 20. März 2021

B*mmel (Hommage an Jandl)

Ich bummele nicht

und hab keinen bammel 

mit meiner bommel 

zu bimmeln

wie ich bemmele

frag ich in Sachsen. 

Fall: bitteres Blut.

 Die säure steigt in meinem blut

zu elektrisch die welt

wie elektroden stecken die 

geräusche der sünde

(ja: sünde! das große zerbrechen und sterben 

die große klugheit des stehpinklers

und der arschwacklerin: beide so was von lost

aber immer klappe aufreissen 

und krakeelen, wer alles schuld ist

und programme für alle: rettung!

mach was tu was sag was 

was für ein gift)

in meinen adern

und lassen die liebe ausperlen

es bleibt die asche zerbrochener herzen 

mein schädel füllt sich mit knallgas 

nur eine frage der zeit 

und es gibt gegrilltes gehirn 

dann hab ich vielleicht ruhe 

schon schade, dass der weg

immer durch scheisse führen muss 

und welche scheisse ist größer 

als der tod? 

Donnerstag, 18. März 2021

Weggewälzt (Markus 16)

 kein stein bleibt auf dem anderen. 
kein stein bleibt, wo er ist. 

berge wanken sogar, 

wüsten ebnen sich ein. 

 

kein stein bleibt auf dem anderen

kein nagel bleibt krumm

und wunden werden zu wundern

gräber entleert

 

kein stein bleibt auf dem anderen

frauen werden berufen

und männer fallen vom pferd

kinder werden gesegnet

 

kein stein bleibt auf dem andern

vom müll geholt blüht selbst der verworfene eckstein

geschundene körper leuchten vor schönheit

das salz wird niemals alle

 

kein stein bleibt auf dem anderen

umwälzend gewälzt hals über kopf

schöpfung wird aufgerollt

und neu verlegt der teppich des lebens

 

füße ruhen dort: gottes und menschen. 

 

 

 

Samstag, 13. März 2021

Teufels Ende

 Der teufel sitzt weinend im grossmutterschoß

kein fieser gedanke belebt ihn 

und keine gemeinheit durchpulst ihn

kein mord kein gift keine lüge 

kein tod kein neid keine künstlich entfachte 

irrwitzige sorge keine wahnsinnige sätze 

über frauen geflüstert in begehrensverzehrte ohren

von jünglingen mit waffen und auch nicht 

stinkendes krankmachendes wasser und auch nicht 

die lust, müttern die kinder zu rauben und auch nicht

die lust auf  unumkehrbaren rausch und auch nicht

auf krieg und auf brand und auf seuche 

und auch nicht auf rechtsbruch und übles Geschwätz

(bezogen auf gott)

macht jetzt alles der mensch

und zwar besser. 

Psalm, heute

 Nichts mehr übrig

als seelenbruch und herzensmüll

ausgerödelt leergequatschte wörtertaschen

der zahnfleischmund wund vom lügen 

hände kaputgebetet, faltungschwielen

kniehoch in der sülze, mit senf

immer zuviel gesagt zu wenig

geschwiegen auch trotzig 

an der dummheit gerieben 

zerbröselt, jedes blatt verottet

nur ein gott kann das 

lasst mich einfach sein 


Donnerstag, 11. März 2021

Hoffnung

 Die weltende abreisskante 

verjagt den horizont ins blaue 

dass meer verspült sich 

blasen schlagend im abgrund

der höllenuntiere und dämonen

Kein feuer lodert da im tiefen

der gefalteten zeit nur eisiges 

schweigen und stille sonder atem

alles was kann rudert







Samstag, 27. Februar 2021

Schreiben

 Federqual nenne ich die satzgeburt

zuletzt immer das verb

adjektive jählings voraus 

alles kommt steißwärts und reißt 

blutige schrammen in den wortkanal

der schmerz bleibt schreilos 

nur fingernägel bluteten (früher

als die zähne noch scharf waren) 

und es kratzte auf dem papier

heute nur noch fettkringel auf dem display 

nicht mal tastaturklappern 

im grunde jeder text kaiserschnitt 

gar nicht mehr kaminfeuerecht 

mehr so: aufgedrehte heizung

wer’s lesen will: bitte! 

ich nicht, hab’s ja geschrieben

für dich  


Sonntag, 21. Februar 2021

Kaffee

 Man lobt ihn in der frühe

und der tag schließt mit freude auf ihn. 

Längst löst er uns aus den Sorgen des alltags 

spendet kraft und energie

und verwandelt trauer in freude

macht uns tanzen und singen

Und füllt das haus mit seinem geist. 

Niemand sieht gerne die dunkle seite 

herkunft und gerechtigkeit und tod 

Kaffee ist der gott der fleißigen sklaven

der sogenannten moderne

die kein blut mehr säuft

auch nicht von göttern 

sie transsubstantiiert es in 

köstliche drogen. 




Freitag, 19. Februar 2021

Extra Terram salus

 Seelentrümmer nur um den eisigen planeten 

umlaufender schrott zerfaserter träume 

gehalten im schwerefeld gewesener kräfte 

ballett der wünsche, pas de deux wirbelnder fragmente 

jenseits der atemgrenze 

adams schädel 

Donnerstag, 18. Februar 2021

Fasten

 Was ihr ein Fasten nennt 

ist bloß ein nicht mehr fressen

Was ihr ein Fasten nennt

ist doch bloß ein nicht mehr aasen

Was ihr ein Fasten nennt 

ist doch bloß ein sport

Was ihr ein Fasten nennt

Ist doch nur selbstreklame  

Was ihr ein Fasten nennt

verspottet die armen. 

Mittwoch, 17. Februar 2021

Fingerspiele

 Im wirbel  der elektronen

kriecht das wort durch die kabel

leiblos schimmernder pixelschatten

später triumph der emanation

alles eins: fließendes nichts

flirrende leere zwischen zustand und zustand 

unter den wörter nur ein oder aus:

Gott aus der steckdose findet sein golgatha 

in der steckdose 

erlösung mit doppeltem kreuz: #erhöhung!

kann schmutziger strom reine gedanken 

bewegen

Frage schon an das sterbliche fleisch 

 nun aber drängend vorm bildschirm

headset-beengt 

hände gefaltet über dem keyboard 

aber, hey, schlüssel zu was? 








Aschermittwoch

 Jetzt wieder der asche wegen 

dornenkronenkitsch: oh leid!

weil‘s eigene nicht reicht

fürs ganz große drama:

seins und deins 

schöner leiden im beichtstuhl

aber finger weg 

von den dienern des höchsten 

wenn sofakummer und kühlschrankschmerz

„Schatz der Kaviar ist abgelaufen“

fromm werden 

dann lauf was du kannst 

Hecheln statt heucheln

und schön glimmt die asche

von blutpalästen 

Sonntag, 14. Februar 2021

Valentinstag. Prekäre Liebe.

Die erde der liebe ist flach

kein horizont. 

Nur Gott krümmt den himmel 

mit hoffnung. Ansonsten: 

Verwechslung mit sex. 

Was nicht das das schlechteste ist. Und 

Doch auf dauer zu wenig: 

ein privileg  

Und unter dem fleisch wohnt die gewalt: 

Jede öffnung eine wunde 

Liebe braucht gnade. 

Sie ist die Hoffnung des Körpers:

Der unberührbare berührt mich. 

bis dahin: knochen auf knochen

dazwischen lächeln und rührige hände.    

 Wann kommst du, mein schatz? 

Uns bleiben nur 

stöhnen und streicheln

wasser und brot

gesüßt mit einem löffelchen lust:

die immer mehr will

als blicke erlauben:

fleisch und fleisch gesellt sich gern

im begehren. „Fass mich an“ ist der

notruf der toten. Schöneres gibts nicht

als lebende: tröstende haut. 

Mittwoch, 10. Februar 2021

Objektives Gebet : Pandora

Die in der büchse waren

kehren zurück 

die hoffnung liegt jetzt oben 

bereit wieder chaos zu stiften

mit ihrer schwester 

der täuschung 

kein gott mischt sich

ins irdisch getümmel 

Vatersohngeist schaut nur mit bitterem blick

auf das vergängliche scheitern

der liebe  

längst ist es schon

fünf nach mitternacht

aber längst noch nicht

der neue tag 

erst muss der letzte gletscher zerfliessen 

und das letzte arschloch tot sein  

dann kommt der deckel auf

alle gaben

und pan dora macht urlaub 

mit ihrer cousine Kassandra

Kyrie eleison 



Donnerstag, 21. Januar 2021

Trist

 Tränensteine hindern den blick

auf rauchende schlote 

glühende Liebe wälzt sich den Hang runter

aschig erkaltet Schicht um Schicht 

Basaltene stelen stehen herum und mahnen

Wovor weiß keiner mehr

aber es graust einem schon 

auf dem Sofa