Montag, 31. Dezember 2018

Ofen

Der feurige freund
specksteinig gekachelt zentnerschwer
naturglotze gebremster oxydation
hinterm kristallenen fenster
mit glühheißem griff
drinnen selbstgehacktes
„wärmt dreimal“ scheit für scheit
gescheites männerding
säge beil keil
da fühlt man sich heldig
auch beim entzünden wichtig schaun
das feuer ist je ein frauenfänger
und noch viel tiefer ins neandertal
führt der ofen im stylischen wohnraum
er ist eine männermaschine
der bruder des grills.
Dieweilen schaut der heizende
hungrig zum kochenden weibe
am schnöden elektrischen Herd.

Jahreswechsel

Es geht vorbei
als wäre es gewesen
was es nicht war:
ein jahr. Ein sonnentaumel nur
ein punkt im kosmischen gerase
schwindel letztlich
der nur gehirnen einfällt
denen nicht genügt
elektrisch zu sein die unbedingt
noch geist sein wollen
und dem kalten nichts
ein licht verpassen
hörten sie so wüssten sie
um sich als staub und ihre jahre
nur sekunden im ewigen
inneren tanz des gottes.
wie würden sie feiern
bloß weil sie sind anstatt
dem vergehen mit knallenden korken
zu dienen: elende sklaven der zeit
morgen schon gestrig.

Montag, 24. Dezember 2018

radikale liebe

Aus der wurzel radikale liebe
Joseph geliebter lief nicht weg
Maria trug schande für gnade
die hirten bezeugten 1000 jahre verheißung
radikale liebe umgleisst engel und vieh
keiner gefragt alle gottlos geladen
radikale liebe oder sie ist nicht
tod teufel und weihnachtsmann
einfach ignoriert als wären sie
so alte männer die uns grade nerven
die weisen von überall
zu toren gemacht durch heiße liebe
tönendes erz ihre sterne
wahr nur das wort geschrieben gesprochen
in der ersttagssprache der lichtwerdung
das schon radikale liebe: bumm!
greif zu, wenn du nicht dumm bist: glaube
was schert uns die wahrheit
hier liegt sie weibgeboren
gezeugt umgeschaffenes fleisch verottbar
Weihrauch, Myrrhe, Gold: Schnickschnack
immer zuerst das lichtreis aus finsterniswurzel
fürchtet euch nicht kommt ungeladen alle:
euch ist heute der heiland geboren
und alle heißt alle
radikale liebe oder es ist keine:
fürchtet euch nicht
werdet krippe
blüht.


Starke verben, christologisch konjugiert

        Erkoren
(vor aller Zeit. In der Ewigkeit.
Wahrscheinlich weiß man nur in der hölle,
was das heißt,
weil man da für
theologia archetypa zeit hat.
anderswo gehts um die wurst,
[die oft nur die eine rettende
handvoll reis ist: inrisation. ]
egal.
für uns heißt es
gnade immerschon fürimmer füralle)
         Geboren
(wenn alles glatt ging: gott mit käseschmiere.
hat joseph die nabelschnur durchschnitten?
windeln: Jesus kackt)
         Verloren
(ungefunden. niemand sucht: frommes gerede
glaubensloser. [also aller: lest Paulus, ihr pack]
hätten wir glauben, bräuchts ihn nicht
[schönes paradox, sehr vernünftig]
wir suchen nichts. er findet uns.
Gottes wort lost in translation.
wer schweigt, hat nicht gehört)
          Erfroren
(An der kälte der welt im heißen israel.
Soviel radioansprachenmorgenkitsch muss sein,
weil:
happiest end.
 try.)
          Vergoren
(Zu wein. und brot. Also hefe.
geh auf mein herz.
prost der ganzen welt)


Sonntag, 23. Dezember 2018

huhn, providentiell

Zwei große lüste bedient mir das Huhn:
suppe und bett. Kein anders tier
kommt mir so nahe und wäre mir
rettung in zeiten der flucht
Die suppe nährt nicht nur
sie füllt auch den magen und
kleidet ihn aus mit fließender wärme
sie leistet von innen was federn
mir bieten von außen
ich nenne es bergung.

Und da niemand nach mir schießt
und mein haus nicht brennt
ich also so lebe, dass ich suppe und bett
nicht brauche sondern wirklich geniesse
lobe ich trotzdem das
huhn und achte es trotz seiner
wirklich beschämenden dummheit
als vogel der vorsehung und gleichnis

Freitag, 21. Dezember 2018

Wächter der Reinheit

An den grenzen der wörter
wachen die hüter der reinheit
wilde bedeutung birgt ihnen chaos
die bedrohung ergreift sie zwischen den zeilen
Sie nennen es schmutz
und laden die waffen für den heilenden kopfschuss
ihre altäre sind wütende stätten der stumpfheit.

Und bei ihrem gesange von reinheit und rasse
grölt sich die rache in schiere extase
für die in der kindheit verlorene liebe
so hassen sie sich und den gebärenden schoß
der monatlich blutenden frauen
er ist ihnen abgrund des übels
wenn sie ihren traurigen samen ins leere verspritzen

Solcherart bitter ist das mehl den schwanzlosen mäusen und
dass sie nicht mächtig sind
beschmutzt ihre reinheit
ein stinkendes zerrbild des todes
und nichts als lästerung des blutigen gottes.


Sonntag, 16. Dezember 2018

gebet, nach bach, weihnachten

Tröste mich und mach mich frei
der dornbusch soll brennen in mir
und weit meine schuhe von meinen füßen liegen
alle trauer in mir verglühe in versen
wörter wachsen wie efeuranken
die zunge schnalze nie geübte laute
dass selbst die katze bewundernd aufhorcht
und ich lege mir blei in die sohlen
dass ich der erde treu bleibe und meinem weib
Tröste mich und mach mich frei
fliegen wäre schön reden ohne denken
und schreiben als tät‘s die feder allein
und einfach so da sein
und atmen und essen und lieben
vor allem lieben und nochmal lieben
und trösten und frei sein
ochse und esel bin ich schon
lieber aber wäre ich
die krippe

Samstag, 15. Dezember 2018

kellerkind

Heute mal wieder in den keller gestiegen
mein wahres Ich besuchen.
Es sah ganz gut aus.
Bisschen ausgezehrt.
Wir plauderten ein wenig
über vergangene zeiten.
Als es dann verlangte
doch mal wieder nach oben zu dürfen
war mir wieder klar
warum es hier unten ist.

Klimawandel

Der wahre Grund für den Klimawandel:
die Menschen werden immer mehr
und immer dicker (ich auch!).
Dadurch wird die Erde
immer schwerer.
Das senkt ihre Geschwindigkeit.
Dadurch sinkt ihre Umlaufbahn
Es wird immer heißer.
Und die Jahre immer kürzer:
Das merke ich schon lange.
Also mehr Verhütung,
weniger essen.
Das eine im Süden,
Das andere im Norden.
Ich finde, ich sollte amerikanischer
Präsident werden.

Humor

Wenn ihr nicht glauben wollt
dann glaubt doch, was ihr wollt
falls ihr was wollt, das zu glauben lohnt
alles vor dem tod ist hoffen
und Gott lacht täglich neu.

Freitag, 14. Dezember 2018

Mäandernde Gedanken beim Singen eines adventlichen Chorals neuerdings in F-Dur

Ihr toren macht euch weit
und hoch die herzenstüren
auf einem wagen wundersam
der könig kommt geladen
Freudensonnes mondscheinkind
aus zebaoth geboren
in syriens bombenhagel
und jemens schlächterei
O wohl dem land so
fromm wäre ohne schießen
oder zäune und durch
geknallte präsidenten
ach zieh in meinem
aber auch in die leber und nieren
und hirn wär auch nicht schlecht
die zweiglein der gottseligkeit
mit blinkblink verblendet für
rudolf dem propheten des höchsten
von rat und tat
zur ewgen seligkeit
zeuch ein Zebaoth.

Montag, 10. Dezember 2018

weihnachten

Geborene!
Geworfen schleimig
blutgefesselt „schnipp“ schon individuum
heute auch von vätern
stakst ihr durch atmen kacken essen
später dann liebe noch später arthritis
alles schleimkram, blutig meist
und riechend sagen wir mal
nach stall
überhaupt das ist das stichwort:
Geborene!
darin ebenbild.

Freitag, 7. Dezember 2018

simples gemüt

Kaffee und musik
das glück des morgens
und abends
suppe und sofa
dazwischen
arbeit am  nichts
und dann und wann ein gebet.

Dienstag, 4. Dezember 2018

Nikolaus!

Der nikolaus
Der lauseniko
Die ikonenlaus
Der laukinos
Der saunikol
Der kolnisau
Der sonilauks
Du kannst es drehen wie du willst
er war kein Türke.
Schade, ne.
Jetzt muss du doch was erzählen
vom glauben ethno reicht nicht
das säkulare narrativ ist tief närrisch
merkst du was?
ich find das alles albern.

Sonntag, 2. Dezember 2018

Choral, 1. S.d.Adventszeit

Macht hoch das schiff
dein könig kommt geladen
empfangen weil in tiefster nacht
den aller weltkreis
in niedern hüllen
oh wohl der stadt
bis an den höchsten bord
wann kommst du geschneit?

wie soll ich dich
an deiner krippen hier
o Jesu Jesu herz und hand
der heiden dornwald
auf einem eselein
reiß die himmel auf
aus marien schoß
froh und munter sein.


Samstag, 1. Dezember 2018

Advent

Er kommt mal wieder
und mit ihm die buden
und das klingelingeling der glöckchen
und der kunstschnee
und die pauspäckigen und die stylischen
engel und die konzerte und die
sales wegen weihnachten und die
märkte und die fressanzeigen und die
nölereien von den frommen und die
sticheleien von den kirchemenschen
und die allgemeine friedensfreude und die
schneeflöckenweißröckchen kommen nicht geschneit
und es bleibt auch aus der dringend
erwartete untergang und es ist
auch diese jahr
wieder mal bloß advent
und nicht apokalypse und so warten wir
weiter auf die neue welt
die versprochen ist aber immer
spekulatius bleibt
das ist wohl die wahrheit von diesem
gebäck und ich vergrabe mich im stollen
und warte bis er ernst macht
und friede auf erden kommt
bitte diesmal ohne gemetzel
okay die weihnachtsmärkte dürfen brennen
oder aber lieber doch nicht
zuviel plastik
er kommt mal wieder
nicht wieder
bereite dich, zion.

Sonntag, 25. November 2018

Prechtige Philochemie

wir lösen die rätsel!
wir lösen sie einfach auf
in labersäure
und bilden so rätsellaberat
das ist dann das salz 
in der suppe 
die wir auslöffeln müssen 
bis zum erprechten. 

Brexit

Heute siegte
die Torheit der Regierten.
Und Plato feixt,
was vielleicht das Schlimmste ist.

Grablose

Stünde auf den gräbern
der unbegrabenen
der zerfetzten zerissennen zermahlenen
stünde auf den gräbern
der verschlungenen und verschluckten
stünde auf den gräbern
der grablosen
ein licht: h
der planet wo sie hausen
die virtuosen des todes
wäre hell
wie die sonne.

Samstag, 24. November 2018

Totengräber

Keiner wollte den Totengräber begraben. Er hatte 40 Jahre lang für ein Taschengeld die Gräber ausgehoben. Er war ein Kauz und Patriarch. Der Streit mit seinen Erben über das Grab und das Begräbnis gehört zu den dunkelsten Erinnerungen meiner Dienstzeit. Der Mensch ist ein schäbiges Geschöpf, wenn es keine Gottesliebe kennt sondern nur lächerliche Statusfragen. Wir haben das Begräbnis dann aus der Friedhofskasse bezahlt, hart am Rande (aber diesseits) der Legalität.

Wer begräbt den totengräber?
Immer die lebenden,
egal,
ob tot oder lebendig.

black friday

Am black friday
habe ich mir ein bündel licht bestellt
gab es als sale
beim internationalen
jüngsten gerichtshof
extra für diesen karfreitag des business
wurde  eine preisliste erstellt
mit dem vermerk
kostenlos, aber nicht umsonst
und ich war wieder mal peinlich berührt
von der banalität des evangeliums
manchmal ist mir das alles zu einfach
und ich hätt’s gern mitunter
ein wenig arkaner.

totensonntag

Heute morgen stand ich
bis über die knöchel im blut
der wahrheit
nun liegt sie im altpapier
sie röchelt noch
wie damals am kreuz
sie wird recycelt
aber Gott sei dank nicht auferstehen
sie wäre doch wieder
nur eine lüge

Freitag, 23. November 2018

minimalfrömmigkeit

Im Advent
Advent fasten.

Befremdlich

Ein eremit
ist nicht fit
macht scheisse nicht mit
mit der welt ist er quit
und doch lebt er flott
mit sich und mit Gott
denkt keinen schrott
braucht kein schafott
zügelt die triebe
für wärmende liebe
durch sokratische siebe
verzichtet auf hiebe
er ist völlig fremd
im fremdsein enthemmt
wird das leben gestemmt
ins fleisch eingeklemmt
wasser und Brot
fülle und not
leben und tod
ein weiser idiot.

Samstag, 2. Juni 2018

Summerbastards

ihr lästert und jammert des sommers
wegen hitze und was weiß ich noch
wegen des lichtes am ende
wegen der hüftschwingenden leichtigkeit
oder der frivolen würze in der aufplatzenden
fruchtbarkeit von allem was blüht
und prangt und lockt und ruft
und duftet und schwelgt und lechzt
trauriger seid ihr
und ungescheiter
als pflanzen und viecher
allen voran mücken und vögel
die als erste tanzen und singen
wenn das grau geht des griesgrams
Wieviel winter ist in euch
wenn ihrs lieber kalt habt:
dann friert euch den arsch ab
verhüllt eure leiber
in tücher
selbstgestrickt womöglich
und nölt wieder
über den winter
euch ist nicht zu helfen
hockt doch im dunkeln
und endet
gefriergetrocknet
Freut euch ihr bastarde
und schmäht nicht das
lachende werk der sonne.

Montag, 28. Mai 2018

Vorsommerhitze

Diesen einen sommer noch
(der noch gar keiner ist
ein prahlender frühling
umso besser)
also diesen einen sommer noch
als wenn’s der letzte wär
das fett unter der haut
ranzig werden lassen
zerlassene butter
und die haut gewässert
mit der nagelbürste
eines wüstenwindes massiert
die hitze meines innen
außen spüren

das ist schönere auflösung
als jener tod
von dem alle reden
aber der ist kälte
und davon reden wir
wenn überhaupt
im winter.

Donnerstag, 24. Mai 2018

Populismus

wie kann ihm
einfach so sagen,
dass man
„das kann man
einfach so sagen“
nicht einfach so
sagen kann

und wie sag ich
ohne mich
für klug zu halten
der dummen,
die sich für klug hält,
dass so schon deshalb
recht dumm ist

Muss ich hören
redenden
die nicht hören

wie werde ich
nicht stumm

wie bleibe ich

Mittwoch, 23. Mai 2018

Blues

Das silberdunkel
angstverhüllter tage
greift nach der zunge
die ohren sind längst
verstopft von blauseidener trauer


Sonntag, 20. Mai 2018

Pfingsten

Brennende haare
niemand denkt
an brennende haare
rotglühende kopfhaut
und brandblasenübersäte ohren
nur ein gleichnis
für flammende herzen
der geruch
von brennendem fleisch
aber folgte
dem weihrauch
heute riecht es
nach asche.

Predigtschmiede

Die esse strahlt unbändige hitze
rotweiße magma erleuchtet das eisen
dass es funken schlägt
ein ruck und es liegt fauchend
unter schweren schlagen
des hammers und fügt sich
zu schwert oder pflug.
Der sohn und enkel
noch den geruch
des brennenden koks in der nase
und das zischen der sprühenden funken
im ohr
sitzt mit seinen mädchenfingern
an der wörteresse
aber es glimmt noch nicht mal
eine winzige glut
kein schwert fügt sich hier
das göttliche eisen
wird kalt geschmiedet
spröde und ungehärtet
ist es nicht schleifbar
und kann auch die schärfe nicht halten
ein tönendes erz.

Samstag, 19. Mai 2018

Royal Wedding

Zu reden
von liebe
vor liebenden
ist liebe

Zu reden
vom feuer
vor brennenden
ist feuer

Zu reden
von gott
vor göttlichen
ist mensch

Montag, 14. Mai 2018

Bahnwahnglückseligkeit

Schon in Hanover:
85 min. Meiner in Göttingen:
40min.
Da darfst du dann nehmen,
was kommt.
Schon in Hanover
85 min:
Da sind dann viele
einfach in den nächsten zug.
Meiner in Göttingen:
40 min.
Da nehm ich den nächsten
der kommt.
Neben mir lauter schimpfende Idioten
mit fresseziehgattin.
Sie kapieren nicht
was die ansage sagt.
Der 85-Minüter kommt
- hätte schon vor 85 min -
und ist menschenleer:
sind alle gar nicht erst
eingestiegen.
So schön
bin ich lange nicht Bahn gefahren.
Im ICE
und zwanzig minuten
früher zu Hause.
Die idioten haben
zehn  minuten ihres lebens
weggeflucht.
Und saßen frustiert
im gekühlten waggon
unter der last
Von mindestens einigen tonnen
miesesten karmas.
Wie dumm
kann man sein.

Sonntag, 13. Mai 2018

Langeweile

Wenn so gar nichts geschieht
schicht um schicht bloßes atmen
bloßes essen
entblößt die seele
als einen trick des fleisches
sich ohne grund
auf den weg zu machen
in den kaukasus
oder
an den kühlschrank.

Samstag, 12. Mai 2018

Bibliothek aufräumen: folgenreich

Am hellen tag
stellen sich wörter ein
wie sonst nur am rande des tages
oder in der ödnis der schlaflosen nacht
Träume ich also: in echtzeit?
oder reicht es schon
die bücher nur zu berühren
dass sie in mir
das echo wecken
und den unsäglichen schmerz
nicht malen zu können?
Im grunde halte ich mir
bücher wie tiere:
panoptikum.
Möglicherweise ist das ihre rache:
niemals werde ich einer der ihren sein.
Diesen triumph kenne ich nur
von der Katze.

Freitag, 11. Mai 2018

mainacht

So eine mainacht
ist eine art weihnacht
die luft voller düfte
das gras schwingt die hüfte
und säfte und kräfte und schäfte
schießen
und morgens
twittern die amseln vom glück

Donnerstag, 10. Mai 2018

Tinnitus

Die große Ingeborg beweinte
schon im voraus
den unabwendbaren verlust
ihrer augen.
Welch ein dunkel aber
wäre mir
das verstummen der vögel.
Jeder winter schon
ein tod.

Sonntag, 6. Mai 2018

Schmetterlinge

Schmetterlinge schmettern nicht
sie sind sahnige fliegen
so leise ihr flügelgeklapper
 fledermäuse spitzen die Ohren
schillernder sternenstaub
kleidet die fläche der flügel
sie sind nicht gemacht
für menschliche finger
einzig der nektarsaugende rüssel
erinnert: insekten sind scheußliche Viecher

Donnerstag, 3. Mai 2018

Schlaftod

Wieder einmal lockt die nacht
mit dem kleinen tod
wo ich nicht weiß
wo ich bin
und wo ich nur
wenn ich erwache weiß
es war schlaf
so üben wir
schon mal tag für tag
den morgen ohne erwachen.

Sonntag, 29. April 2018

Echt:“allein“/realiter „solus“

Das wörterwort du wartet
auf ohrenherzen
als wären sie eigen;
dazwischen
rechnendes eiweiß
zuckerfettgetrieben maßlos
denkt es sich ich
von gier zu gier:
gottesgeduld


Alte Liebe

Ich bin so müde
sprach sie und schaute
mit matten augen
alles an ihr war schwer
und grau und lockte nicht mehr
und er frug sich
wann es zeit wird
für eine neue
hübschere jüngere
geschmeidige
(so einsam war er:
die katze sprach
seine sätze)

Samstag, 28. April 2018

alte weiße männer

Es ist nicht zorn
es ist trauer
zu hoch die bäume der schönheit
und das mehl der liebe bitter
der hässliche faltensack
hängt vor der tür der wonne
keine frau liebt mehr schwerter
die helden sind albern
das süßeste fehlt
leuchtende haut
 
Angelica und der Eremit, Rubens

Dienstag, 24. April 2018

Genagelter Gott

Schon als die nägel noch frisch waren
hangeschmiedet versteht sich
- am ende keltisches eisen
man will ja nichts riskieren
bei so einer hinrichtung -
schon also damals
war es ein irrtum
man könne gott
irgendwo annageln
und so hängt er da
der genagelte gott
und erregt die gottlosen
(götzlichen, wenn man so will,
wäre es nicht unergötzlich)
heimatgemüter
der entnagelte aber
der grabräuber seiner selbst
der nicht so sichtbare
himmelsfahrer
-oh, extra calvinisticum -
sitzt auf dem thron
der himmlischen heimat
geradezu unzulässig lässig
auf dem sie gerne säßen
die gottesnagler
mit ihren geschnitzten.

Sonntag, 22. April 2018

Flusen

überall flusen
vor allem auf fliesen
man fragt sich
woher sie kommen,
woraus sie fließen,
die flusen.
sind sie die flausen
der flauschigen tücher
die nachts heimlich
beim faseln fäden lassen?
oder gar die faserige fussel
der geheimnisvoll immer
verschwundenen socken,
herausgefrickelt von
staubgeilen milben
aus dem flusensieb
oder schaut die katze,
die fuselige fellide
deswegen so beflissen
weil sie fusselt?

so viele flusen flattern
faserig vorüber
beim gang aufs klo.
Es wird zeit
den flusen die flausen zu verjagen
dann hat sichs ausgeflauscht
in den zimmerwinkeln und
an dunklen orten
(da, wo das klo einen knick macht,
unter den betten
neben den ehwürdigen unberührten
unter den büchern).
die flusen fliehen nicht
sie flocken nur so herum,
federleicht
sie fürchten mit recht das feuchte.

und das wird dem gesindel
zum fluch.
morgen kommt sie wieder
die feuchtwischende
und feudelt die flusen
zum teufel.

Samstag, 21. April 2018

Frühlingsfuge

Immer noch mehr blüten
glühende blüten
für und für
und grün
tausend schatten von grün
leuchtende schatten von grün
und jubelndes gefieder
jauchzende trällernde vögel
und bäume
aufbäumende bäume
mit bräunlich atmender rinde
überall licht
über allem liegendes licht
lichtestes licht
segnende sonne
fast wünschte man
tot gewesen zu sein
um wieder
so leben zu können
lebendig zu leben
im immermehr der blüten
und entblätterndem gefieder
der saftberstenden bäume
 blätter und vögel
und gras
grüngrüngrün.


Abendlandliteratur

Das Christentum, oder: Euer Opa.
Die Religion innerhalb der Grenzen der entblößten Vernunft..
Die Welt als Wille und Verstellung.
Die Unkultur am Behagen
Tractatus logico-sarcastico
Name und Zufälligkeit
Das Kein und das Nichts
Schnelles Denken - gar kein Denken.

Wird erweitert

Freitag, 20. April 2018

Zeitlupe

Wenn ich glücklich bin
bleiben die Wörter fern
sie sind kummergeboren
denn was ist poesie
wenn nicht die schönste form
des schreiens
wie beim flug des kolibri
wird aus dem flirrenden zittern
ein schwingender tanz
nur durch
zehntausendfache verzähung
dümmer noch als das träge Gesicht
ist das klebrige herz
worte gibt es nur
wenn der schmerz langsamer ist
als das leben.

Dichtung und Wahrheit

küssen reimt sich
auf müssen
und sterben
auf erben.
und damit ist doch
alles gesagt.

Donnerstag, 12. April 2018

finis poesiae

nun hat sichs ausgedichtet
alle wörter sind vernichtet
und die, die noch am leben sind
machen sich davon geschwind.

wollen nicht verwurstet werden
in unverschämten zeichenherden
die ungehemmt auf dem papier
die lücken schwärzen, du hier

im weißen felde finden kannst.
ich seh, dass du flinte spannst
um doch noch eins zu schießen
geh lieber blumen gießen.

die wundervolle poesie
von blüten nämlich schaffst du nie.
und was die katze da so treibt
wird schöner nicht, wenn man es schreibt

so lass den hirntopf blubbern
und wörtergummi flubbern
setzt dich auf den gartenstuhl,
und fühl dich, ohne verse, wuhl..

Proktopoesie

Der papst pupst
die post pisst
die katze kotzt
der stabreim stirbt
an magen-darm
und geschlachtetem geschmack
der sich die kniffe nicht verkneift
und für den kick des klick
jede kacken kucken lässt.

Dienstag, 10. April 2018

Unverwundbar

Eine rüstung
aus kunststoff
hauteng dünn und durchsichtig
alles fließt nun einfach
an mir herab
und du fragst dich
wie ich fröhlich sein kann
ich bin unverwundbar
und du siehst es nicht.

Montag, 9. April 2018

Einfache liebe

Ich gebe der nacht
eine chance
mein licht durch ihr dunkel
heller zu machen
wie der schmerz
die lust macht
allein dadurch
dass er geht
oder hass schon frieden stiftet
wenn er aufhört
das leben freilich
mus mehr sein
als nicht tot sein
ich gebe dem dunkel die chance
einfacher liebe

Samstag, 7. April 2018

Fleisch

Fleisch.
hat geatmet
atmet noch
zelle und faser, blut.
haut und haar.
gefressenes fressen
mit augen
und fett
geschmeidig drum und
reissbar.
das innerste
der liebe.

Freitag, 6. April 2018

Ultraschall

Ich kann dir nicht alles sagen
es ist so viel unsagbares dabei
du könntest es auch nicht hören
selbst wenn ich es sagen könnte
es ist nämlich
ein unhörbares
weinen
im ultraschalbereich
Aber jetzt weißt du
warum die katze mich meidet.

Mittwoch, 4. April 2018

Theeologie

Dröhnend labert der kaffee
das ganze haus voll
mit seinen gewaltigen versprechungen
der tee
steht lächelnd daneben
er hat
eine verheißung.

Dienstag, 3. April 2018

Sommer der Erlösung

Nun kommt der frühling gegangen
freilich zuerst nur im kopf
was ist er denn
als ein bild vom neuen leben
von sanftheit und stiller freude
über die gebrochene herrschaft
von tod und vergehen?
in wahrheit aber
bleibt es kalt
der regen kennt keinen kalender
und auch der frost schert sich nicht
es wird weiter gestorben
die welt ist eine rasende kugel im all
bewohnt von frierenden
jedenfalls dort
wo der schatten der sonne
größer ist
als ihr licht
nur ein strahlender sommer
kann uns retten
ein sommer,
der mehr ist als herrliches wetter
ein leuchten im herz.

Montag, 2. April 2018

Menu poetologique

Ich liebe
aleatorische buchstabensuppe
reimschnitzel mit fritten
gegrillte gedichte
rosenkohllyrik (lecker
aber man furzt hexamaterweise)
sonettencreme
mit reichlich sahne
und schockostreuseln
taktloser stanzensalat,
und schließlich
den üblichen käse
aus anthologien.

Freitag, 30. März 2018

Letztes Gedicht

Der tag des letzten wortes
ist auch meiner
endlose texttexte
stanzen wunden
flechten kronen aus welken dornen
stichlos
ohne vollmacht
machen sie uns was vor
von wahrheit
ich höre aber
-alter pauliner -
dämonen kichern.

Karfreitag

Während der vollmond
den frühling einleuchtet
feiern wir fröhlich
den todestaggeburtstag
der welt
es kümmert sie nicht
braucht es auch nicht
gnade wirkt so
grade.

Donnerstag, 29. März 2018

Gründonnerstag Passion VII

blut und brot
und fleisch und wein
blutbrot fleischwein
fleischbrot blutwein
blutwurst und brotleib
und leibwurst und weinbrot
und grüne soße rote soße
zerhacktes gebrochenes

füße, staubig gewaschen

geschürzte hoheit
und schmerz und schrei
und blut
und brot
und fleisch
und wein
ich bins/bins nicht
und 
keine ahnung
wovon wir eigentlich sprechen
aber schweigen
dürfen wir auch nicht
von der angst
in der welt
blut und brot und wein und fleisch

Passion VI

Ein leerer tag
füllt sich (vielleicht)
ein voller tag aber
leert sich nie
tage voller leere
erfüllen mit nichts
So harren wir
der fülle der tage.

Dienstag, 27. März 2018

Passion V

der hass hat
hastunichtgesehn
gott abgeschafft
aber das schafft ihr nicht
imhandumdrehen
neugeschaffen
sind die blamierer blamiert
druchkreuzte opfer
nie mehr:
gottesgewalt
die koppelschlösser
schweigen
auf scheiterhaufen scheitert
das scheitern
und jeglicher sieg
ist besiegt
die ausgebreiteten arme
rufen die armee der armen
ins erbarmen:
wer zuletzt lacht.

Montag, 26. März 2018

Passion IV

Der tunnel
am ende des lichtes
ist das licht
am ende
des endes

Samstag, 24. März 2018

Karfreitagstanz

Tanz, tanz, tanz,
tanz die dornenkrone
tanz, tanz, tanz
tanz die seitenwunde
tanz, tanz, tanz
tanz den tag des todes

    atme aus den letzten seufzer
    schwing die arme, breit sie aus
    trag die nagelwunden
    schrei den letzten schrei

tanz, tanz, tanz
die orgie der gewalt
tanz, tanz, tanz
das unrecht und die not
tanz, tanz, tanz
das sterben in der ferne

     mach die letzte nacht
     zur allerletzten nacht
     stampf mit deinen füßen
     die blutgetränkte erde

tanz, tanz, tanz
tanz den letzten tanz
tanz, tanz, tanz
tanz die ganze nacht
tanz, tanz, tanz
bis zum samstagmorgen

    und dann leg dich schlafen
    bis der ruf dich weckt:
    stehe auf zur ewigkeit.
    und dann tanz des tanz des lebens
    für immer und für alle zeit.


Freitag, 23. März 2018

Expedition

mit der wortmachete
durch den wörterdschungel
bilderschlangen lauern
und wollen würgen
ferne schreien unbekannte vögel
ihre eigenen lauten lieder
die füße stolpern über
verknotete wurzeln
überall wuchern die wörter
in der feuchtheißen luft
aber was sich nicht einstellt
sind verse. nur totholz
unventwirrbares gewirke
von üppigen sätzen
die lauern
dich zu verschlingen
giftiges getier
bereit zum tödlichen biss
oder fieberzeugenden stich.
was du findest:
erloschene ruinen
und hie und da
ein dichterskellet.

Donnerstag, 22. März 2018

Mikrokosmos

Draußen fällt schnee
tödliche frostflocken
ein eisiger wind
entwärmt, was an Sonne
noch durchkommt
weißer schleim überzieht
eine ahnung von grün
drinnen fallen
knusprige flocken
hafer und weizen und mais
gemischt mit
strahlendem griechischen joghurt
tee glitzert flüssiger bernstein
das gekränkte auge aber
sieht flocken in weißlichem schleim
und erschauert.

Mittwoch, 21. März 2018

Tag der Poesie

Am Tag der Poesie, heute also, fällt mir nur Prosa ein.

verlassen

Unberührt
verfelst haut
bis wut
sie zerstäubt
und fleisch
bloßliegt
nackter als nackt

Dienstag, 20. März 2018

Haut

Haut sucht haut.
geist sucht geist.
Trifft geist auf haut
heißt das
glück.

Montag, 19. März 2018

Passion III (Eine Litanei)

Dass ein gott mensch wird
      war nichts neues.
Dass ein gott wunder tut
      war nichts neues.
Dass ein gott stirbt
       war nichts neues.
Dass ein gott geopfert wird
       war nichts neues.
Dass ein toter gott aufersteht
        war nicht neues.
Dass ein gott heimkehrt
        war nichts neues
Das ein gott kein „Gott“ mehr ist
         ist immer noch
                                  neu.

Passion II

Oh Lamm am stamm
was verbrochen
gebrochen haupt voll
mit einer dornenkron
unschuhuldig schwebend
drei näglein fünf wunden rot
gelobt wer da im namen
gemetzelt mehrfach gebrochen
oh lamm am stamm
eklig deiner lippen pracht
im schrei der kreatur
erloschen was hab ich
ich ich ich







(Erwähnte ich schon mal,
dass die Tofdesstrafe für
Christen unerträglich sein muss?)

Sonntag, 18. März 2018

schleifen

sich wundern über sich wundern
sich ärgen über ärgern
staunen über staunen
lieben lieben
hassen hassen
lachen
leben

Samstag, 17. März 2018

Passion

Mein schmerz
ist nicht poetisch
es tut scheisse weh
und alles andere
ist dummes gerede
ein gedicht lindert nichts
es sind bloß wörter
und alles gedeute
ist voodoo
tanz um den heissen brei
zeitverteib
damit mich die zeit
nicht endgültig vertreibt
auch poesie ist lüge
aber erträglich
weil sie so tut
als gäbe es schöhnheit
wahrlich
nur ein prosaischer gott
kann uns retten
der von sich selbst verlassen
nach sich selber schreit
hass erlöst durch hässlichkeit
begriffen wir es
es gäbe keine gedichte.



Donnerstag, 15. März 2018

Pickel

So ein pickel
drängt sich rotwölbend zuerst
dann gelblich erleuchtend
mit schwabbeliger membran
(man denkt an raupen und anderes
transluzides gewürm [schon hier:
archaischer ekel {muss ich das essen}]
und würgt ein wenig)
zudem
der schmerz, stichelig anfangs
dröhnt er sich auf über klopfen und pochen
zur epidermischen sirene stiller ekstasen
zwischen nase und wange
damit kauen und reden
parasitisch schmerzen
dazu
das verlangen nach häutung und bohrung
als flössen ambrosia und nektar
aus den tiefen der tropffleischhöhlen
unseres gebeins
und es ist ja auch eine art
spritzende lust
wenn die öffnung gelingt
und der verwesungsaft an den spiegel splasht
irgendwie sexuell aber gewiss nicht
erotisch es törnt doch eher ab
und man fragt sich
was diese eitrige schwangerschaft wohl soll
außer
entstellen.

(Ja,ja, ja. Selbstreinigung bla bla
Immunsystems blabla
selbst ekelpoesie
darf nicht banausisch sein
ihr welterklärer.
könnte denn so ein pickel
nicht doch auch
eine poetische weise sein
nach ausdruck zu suchen
und die oberfläche
irgendwie vulkanisch freudianisch
aufzubrechen,
körpersprache in der
grammatik der säfte?)

Mittwoch, 14. März 2018

Stephen Hawking

Ich habe nicht alles verstanden
(das wenigste, eigentlich:
fast nichts).
Was ich verstanden habe,
überzeugte mich eher selten.
aber ich habe verstanden
dass er etwas verstanden hat
und nicht nur
gezählt und gemessen.
Dass der geist
sich im beschädigten leben
so zeigt
dass das gerede
vom beschädigtes leben
sich als beschädigtes reden zeigt
ist übrigens
seit golgatha
nicht neues. 

Dienstag, 13. März 2018

Warmsingen

Die vögel geben ihr bestes.
sie kämpfen mit ihrem gesang
der immer ein wenig klingt
nach wissendem gekicher
gegen kälte und finstere luft.
Die stummen bäume
tragen sie freudig
und wenn sie es könnten:
sie würden wohl klatschen.

Montag, 12. März 2018

Volgsliedersammlung

Wenn ich ein vöglein wär
und auch zwei flüglein hät
flög ich zu mir.
Weils aber nicht kann sein
bleib ich bei dir.

******
Im frühtau zu berge wir ziehn,
fallera,
es donnern alle berge, alle  höhn,
fallera,
wir ziehen voller sorgen
von syrien nach norden
noch ehe im tale die bomben dröhn.

*******

Üb niemals „treu“ und „redlichkeit“
willst du nicht frühe in das grab
und weiche voller gottvetrauen
Von den eingelatschen wegen ab.

********

Backe, backe kuchen,
der bäcker, der muss fluchen.
willst du richtig kohle machen
Musst du haben sieben sachen:
Montag und Dienstag
Mittwoch und Donnerstag
Freitag und Samstag
Sonntag macht die Arbeit geil.

*********

Am brunnen vor dem tore
da steht ein lindenbaum
ich träumt in seinen schatten
der tor wär nur ein traum.


********

Ein männlein steht im walde
ganz still und stumm
Es hat von lauter purpur
kein mäntlein um.
Sieh, was ist das für ein schwein
darf denn sowas möglich sein
So ganz ohne rotes mäntelein.

*********
Wenn ich ein vöglein wär
oder ein nasenbär
bräucht ich ein bier.
weils aber nicht kann sein
trink ich ein wein.

******
Tbc

(To be continued)




Sonntag, 11. März 2018

Clicklich

Heute war ich
hundert clicks lang
fast berühmt.
Von dem lorbeer habe ich mir
eine abendsuppe gekocht.
Das allein
war aller mühen lohn.

Trinität und Digitalisierung




Im 20. Jahrhundert starb der „Autor“: letzte Auswirkung des Buchdrucks. Im 21. Jahrhundert stirbt das „Publikum“: erste Auswirkung der Digitalisierung. Im Grunde die urprotestantische Vision des allgemeinen Priestertums. Theologisch hochinteressant.

Gottesbilder reflektieren ja immer die auch soziale Situation. Da haben Trinitätslehre und Christologie schon rein begrifflich ein sensationelles Repertoire: Perichorese, Communicatio idiomatum, inhabitatio, die stautslehre, die siebenstufige unio mystica.

Dafür hätte ich gern mal die Zeit und, naja, die intellektuelle Kapazität. Hat die Trinitätslehre denkerisch und begrifflich unseren modernen Begriff der Symmetrischen, Herrschaftsfreien Kommunikation vorbereitet? Folgen wir hier einer „Spur“, die hinter Hegel zurückführt?

Stellt man die Frage so, ist sie eigentlich zu bejahen. Hegel wird m.E. viel zu wenig in dieser Tradition wahrgenommen. (so weit ich das beurteilen kann: ich kenne das alles nur sehr wenig. Aber die PhdG habe ich nur wenigstens erahnen können, weil ich die protestantisch-orthodoxe Anthropologie und Christologie kannte). Der Streit Tübingen/Gießen hat ein Begriffinventar zur Beschreibung instantaner Gleichzeitgkeit widersprüchlicher Bestimmungen generiert, der kaum zu toppen ist.

Wieviel davon nutzen wir bis heute? Haben wir ein christologisch/trinitarisches Verständnis von Kommunikation, das in der Digitalisierung zu sich Selbst kommt?

Wieso steht die Theologie nicht denkerisch an der Spitze und überlässt ihrem säkularen Zwilling, der Soziologie, das Feld? Weil wir unsere Tradition nicht als Pool, sondern als Fetisch behandeln und uns so intellektuell permanent unterfordern.

Effekt: wir werden genau für so dämlich gehalten, wie wir uns (oft sogar: künstlich [moralisierend falsch verstandene Kenose]) anstellen. Es gibt nachvollziehbare Gründe, sich der Digitalisierung lebenspraktisch zu verweigern. Aber denkerische Verweigerung ist ein NoGo. Die Kirche der Kommunikation (des sich ereignenden Wortes!) sollte hier an der Spitze sein. Das „Netz“ ist ein „Ort“ permanenter Performanz. Woher kennen wir das noch mal theologisch?

Ein wenig absolute Hard-Core-Lektüre dazu, falls jemand es GANZ genau wissen will: 

Der Tübigen-Gießener Streit um die Kenosis 

Samstag, 10. März 2018

anbrechender Frühling.

lasst die rosen rosen werden
und bewundert die würde der bäume
die hölzern trotzen
denn 
das grüne gras leuchtet unter den blättern
und kündet großes den vögeln
die würmer winden sich
die raupe ahnt nichts vom kommenden
blätter räuspern sich vernehmtlich
die knospe wagt ein lächeln
kommt,
lasst uns dem winter
eine nase drehen.

Freitag, 9. März 2018

Freitagsennui

Ich sitze hier im sessel
feuer flackert
die katze kauert auf dem kissen
ein signal  des sommers
tendenziell für die terasse
gekauft, nun gekapert als fläzpunkt
es geschieht gar nichts
die augen angeln sich wörter
lesen lässt sich das kaum nennen
eine woche werkeln in den knochen
stochere ich hier ein paar stabreime
falls du fragend nach dem sinn suchst.
morgen gibt es eintopf.

Donnerstag, 8. März 2018

Verdrehungen/Verwahrungen

Der glaube kann sätze verbergen,
ich sage euch: aber!
Bleibt ihr nicht, so glaubt ihr nicht,
Behaltet alles, prüft aber das gute,
denn die welt dieser weisheit
ist  gott vor der torheit:
am ende werdet ihr alles verwinden
und eure überwindung
wird der sieg sein und ihr werdet alles glauben,
denn ich bin
der Anfang vom ende.
nun aber hoffen
glaube und liebe auf eine bleibe,
denn die bleibe
ist unser täglich brot,
dein kommen reicht
und arm sind die seligen im geiste,
wenn sie um deines namens willen verfolgen
herr, wir erbarmen uns
denn heute tagt
weder wissen noch stunde
um unser unbedrängter scham willen
zerfleischen wir unseren stachel:
Im wort
war der anfang.

Dienstag, 6. März 2018

Pinkeln

Die katze mag mich nicht.
Im fernsehen läuft ein krimi,
interessiert mich nicht weiterschalten.
pappige chips von gestern labbern rum,
Okay, so machen sie mich wenigstens nicht fett.
Jetzt eine rauchen können darf nich schon gut.
Der scheisstag nimmt kein ende
kostet bloß leben
vom ersten moment an.
Ja klar werde ich ein alter sack
bin schon froh, dass ich es noch merke.
Erlösung, hoffe ich mal,
geht anders. Wahrscheinlich muss man
doch erst tot sein, damit das mit der
auferstehung klappt.*
Okay.
Dann gehe ich mal pinkeln,
ist in meinem alter als erlösung
nicht zu unterschätzen.













*2. Tim 2,18. nur weil ich meinen inneren Proll spazierenführe, (immerhin
meine Herkunft), heißt das noch lange nicht, dass ich nicht fromm bin. Ich bin nur
je länger je mehr das betuliche Gejaule leid. Aber die Kumpelei der Volxbibel ist
auch peinlich.

Montag, 5. März 2018

Frühlingsgefühl

Am frühen morgen schon
gießt mir die sonne kaffee ein
und duscht mich
mit luft, die wärme ahnen lässt.
eine mutige amsel übt schon mal
für die hochzeit im mai.
man hört die bäume seufzen,
das gras berappelt sich und reckt die spitzen.
noch droht der forst.
noch grollt der winter.
noch ist die finsternis  lang
und sagt der kalender: winter!
aber weil alles vergänglich ist
vergeht auch die vergänglichkeit
der frühling ist
selbst als ahnung schon
ein großer trost.

Sonntag, 4. März 2018

Schwarzer Engel

trübe tage
aufstehen ist schon skandalös
werden nicht besser
durch klebrige teller
und essensreste am abend
elende küchenfron
der schon müffelnde 
müll (bio: verottend)
quillt über 
zu groß die begeisterung
bei minus ein grad
vor die tür
bei allen bewohnern
nun also ich
schwergenervt
drei schritte nur bis zur tonne
aber gefühlt
einmal um die pole herum
norden und süden
der lächerlichkeitssensor
hindert handschuh, mütze und schal
entschlossensten schrittes nun
reiß ich die tür auf zur müllterrasse
man steht sofort draussen
hochgezogen die schultern 
als stürme es orkanig 
was es nicht tat. 
die luft war mild
roch frühlingsschwanger nach erde
und auf dem kirschbaum 
trällerte eine fröhliche
amsel. 
alles wird gut. 


Vollmond, bei Lichte betrachtet

Der mond
der alte himmelskäse
treibt wieder schabernack
mit seinem geliehenen licht
mich täuscht er nicht
er ist bloß die kopie
und wo er ist,
da ist nacht
und wo nacht ist
ist tod
und den brauche ich nicht
die liebenden werden getäuscht
der mond
ist nicht romantisch
ein eiskalter staubiger stein
jeglichem leben feind
am tauglichsten noch
als zeitenmelder
für ostern.

Samstag, 3. März 2018

Eintopf

In der wortsuppe
aus gemütsgemüse
statt würfel
gerösteter zungenwurst
und gedankenzwiebeln
ein haar.
Kein kluges gedachtes
auf dem löffel
zwischen den spitzen fingern
eine geschichte
von liebe und tod.

Donnerstag, 1. März 2018

Zeitparadox

vergangener als die
vergangenste vergangenheit
ist das kommende,
das nicht mehr kommt.

zukünftiger als die gegenwart
ist vergangenheit,
die nie vergangen ist.

ungetroste gegenwart ist
die vergangenheit
der zukunft. 

Mittwoch, 28. Februar 2018

Frost

frostsfumato. erstarrtes licht.
sonnengelb brennt in den augen,
der himmel lockt trügerisch
mit ungemischtem azur.
atmen wie trinken schluckweise
fußkälte zieht kopfwärts
leuchtender tod.

Dienstag, 27. Februar 2018

Zipperlein

Magenschmerzen drücken aufs hirn
machen alles platt
und vergeblich müht sich der darm
um den erlösenden furz.
Selbst das blut meidet den Ort
und fließt in drückender stille
träge dahin, als wäre es
aus geschmolzenen gunmibärchen .
Immerhin spüre ich dann
nicht die schmerzenden knie
und das vor sehnsucht
stetig röchelnde
herz.

Grabspruch

„In seiner Nähe konnte man
leise lächelnd atmen“
Wenn das auf meinem Grabstein steht:
dann bin ich gern gestorben.
(Doch fürchte ich:
So wird’s nicht sein.
Drum bleib ich noch am Leben)

Samstag, 24. Februar 2018

LiebePassion

Die liebe zu besingen
ist ein zweischneidig ding
in tagen zumal
da dinge der liebe ihre wörter verlieren
alter scham schwellen
mitnichten gefallen
ihr unwesen treiben
und wo schon das nennen
des vielbenannten
ein nennen zuviel sein kann
im deutenden spiel
der anzüge
zwischen klapperstorch
und der fruchtsamen biene
und jenen kleinen hunden
ohne die zu leben
nach den worten des pirols
zwar möglich, doch sinnlos sei
und dem rötenden anblick
einer zigarre
die doch keine ist
schwanken die worte
von griechischer hurenkunst
zu fleischloser minne
und gleiten von zeichen zu zeichen
des fleisches.
Und tief unten hörst du das kichern
der in sich verschlungenen gene
gierig nach ewigem teilen.
Da ist wenig platz
für den sterbenden gott
und sein opfer.

Freitag, 23. Februar 2018

Dichterqual im Sonnenschein

Heute bin ich unter der hellen sonne gefahren
ins pure leben
eine scheibe aus lauterem gold
an einem leuchtend blauen himmel geheftet
die von gott selbst geschliffene
schale aus azurnem kristall
klirrende kälte, türkis strahlender horizont
die luft wie flüssiger sauerstoff
schneidend und belebend
wie ein kaltes getränk
in siedender hitze
oder eine dusche
nach schweißtreibender arbeit
jede faser saugte sie auf
und ich saß fröhlich im auto
wie neugeboren nach diesem
waschlappenwinter mit seinem stinkigen grauschleier
und suchte verzweifelt
einen ausweg
aus dem kitsch
nach ungebrauchten wörtern.
aber außer
"gleißend"
fiel mir nichts sein
und ich habe den verdacht
es ist auch schon unwahr.
Manchmal
ist das draussen
so rettend draussen.

Donnerstag, 22. Februar 2018

Blumentrost

Sie liegen im lehmernen bett
verweigern ihre schönheit
dem winter
mit seinem frostgeprotze
finsternisgetue,
das den tod nachäfft.
Klug sind sie,
und manche,
wie die unverdrossenen weißen glöckchen
auch rührend mutig
vielleicht sogar trotzig.
Kommt, leuchtet mir
in meine traurigkalten glieder
die schon spüren
einen ewigeisigen winter
der auch mich
ins lehmige bett  zwingt.
Manchmal nachts
spüre ich ihn
wenn decke und puls
nicht mehr wärmen.
Seid mir trost:
es gibt noch ein blühen
jenseits des winters .


Weinberglied. Nach Jes 5, 1-7



Singen will ich meinem Freund!
Ein Lied meines Freundes/
von seinem Wingert

Ein Wingert war meinem Freunde/
auf einem fetten Horn.
Er grub ihn um, entsteinte ihn/
pflanzte rotweinreben.
Inmitten einen Turm er baute/
schlug ihm auch eine Kelter aus.
Er hoffte, dass er Trauben brächte/
doch brachte er nur taube Frucht.

Und nun, Bewohner aus Jerusalem,/
und Mann aus Judas Stamm!
Sprich Recht zu mir/
und meinem weinbewachsnen Hang!

Was wär dem Berg zu tun gewesen/
was ich ihm nicht getan?
Was hoffte ich, er brächte Wein/
und brachte doch nur sauren Seim?

Nun denn, ich will euch künden,
/was ich dem Weinberg tu:

Ich reiße seine Hecke raus,/
er werde kahlgeweidet!
Ich stoße seine mauer um,/
er werde flachgetrampelt!

Den garaus mach ich ihm/
ungeschnitten, unggehackt/
wuchere ihm Dorn und Distel.

Den Wolken gebe ich Befehl:
kein Regen soll mehr regnen!

Der Weinberg meines Kriegerherrn
bist du, Haus Israel,/
und du Mann aus dem Judastamm
der Garten seiner Lust.

Er hoffte auf Recht
und siehe: ganz schlecht!
Er hoffte auf Treue
und siehe: Geschreie!


(Versuch, den klappernden Rhythmus und die Wortanklänge des hebräischen Originals wiederzugeben. Es steht in diesem Blog, weil es eher Poesie als Übersetzung ist. Predigtext für den kommenden Sonntag Reminiszere).


Jes 5,1-30