Dienstag, 13. Dezember 2016

Karl May und das postfaktische Erzählen

Wer studieren will, wie bürgerlicher Rezeption erst bereit ist, alles zu glauben, was ihren Größenwahn anfüttert, um dann den Autor als "Lügner" zu vernichten, weil er ihre Bereitschaft, alles zu glauben, entlarvte, befasse sich einmal mit Karl May. Alles, was man über Literatur, Medien, Fake, Wahrheit, öffentliche Kommunikation, Selbstinszenierung wissen muss. Und ich glaube, einen Genderaspekt hat es auch noch (wobei ich Arno Schmidt nicht folge). Dabei ist das, was Karl May wirklich wollte, nie in den Vordergrund getreten: es waren und sind religiöse Romane, Bekehrungsliteratur, getragen von einem rührenden Ethos der Toleranz. Die Bösewichte sind nämlich immer zuerst Bösewichte, bevor sie etwas anderes sind. Und mit "christlichen" Bösewichten ist er besonders streng. DAS wurde nie wirklich wahrgenommen, war eher peinlich und wurde in den "Ausgaben für die Jugend" verschämt herausredigiert. Krasse Rassismen (die es auch, aber erstaunlich wenig) gibt, blieben drin.
Sein Islam-Bild ist übrigens kulturgeschichtlich hochinteressant.