Der eine Gott und die Religionen.
Gott hat sich als der Dreieinige offenbart, indem er uns
in Jesus Christus ansprach und durch den Heilige Geist erleuchtete, wie wir es
in unseren Bekenntnissen aussprechen. Als solche bekennen wir ihn, weil er sich
uns in Jesus Christus offenbarte und sich uns als der versöhnende, barmherzige
und sündenvergebende Gott erwies. Als solchen erkennen wir in ihm den Gott des
„Alten Testamentes“, den Gott Abrahams und Israels, der mit Noah, Abraham und
Mose einen Bund schloss, zuerst mit den Menschen, dann mit seinem Volk. Wir
erkennen in Jesus Christus den Willen Gottes, auch die Völker in diesen Bund
aufzunehmen durch den Glauben. Im Rückblick erkennen wir in ihm, dem Gott
Abrahams, auch unseren Gott, im Rückblick erkennen wir im Gott des „Alten
Testamentes“ den gnädigen, barmherzigen und versöhnenden Gott. „Alt“ ist es
nur, weil es früher war, nicht weil es veraltet ist. Das sollte unter
uns Christen unumstritten sein, und wird uns auch vom Judentum zugestanden. Von
da aus, aber, von Christus her, sehen wir die Überlieferungen Israels auch
kritisch. Für Luther war die Frage: Was Christum treibet? Geradezu das
Wahrheitskriterium eines biblischen Textes, und er wendete es auch auf die
christlichen Überlieferungen an. Der Glaube an den dreieinigen Gott, der ja das
Geheimnis Gottes in seiner Einzigkeit, Einheit und Unanschaulichkeit gerade
wahrt, ist gegenüber allen Formen menschlicher Überlieferung kritisch.
Darum macht der Geist lebendig, und der Buchstabe tötet! Und gemeint ist hier
der Geist Gottes! Luther erkannte sogar in den Briefen des Apostels Passagen,
die menschlich gedacht waren und nicht göttlich, stellte deshalb den Hebräerbrief
und den Jakobusbrief als „Stroherne Episteln“ ans Ende des Kanons und hätte sie
am liebsten ganz rausgeworfen, weil sie die Menschen in der Gewissheit der unverdienten
und unverlierbaren Gnade verunsichern. So zeigt sich der Glaube an den
dreieinigen Gott auch als ein kritisches Prinzip gegenüber den eigenen
Überlieferungen. Gott ist mehr, als die Summe der Bilder, die wir von ihm
haben.
Gerade dieser Glaube hat ein sich ein religionskritisches
Element, weshalb die Christen anfangs für Atheisten galten, weil sie sogar zur
eigenen Religion in kritische Distanz treten konnten und immer um die Wahrheit
rangen, wovon das neue Testament ein beredtes Beispiel abgibt. An die Stelle
apodiktischer Behauptungen tritt der Diskurs. Das wurde als Freiheit erlebt.
Die Frage nach dem einen Gott aber stellt sich in ganzer
Schärfe mit dem Auftreten des Propheten Mohammed, der zeitlich nach der Offenbarung
in Christus auftrat. Er knüpfte in vielfältiger Weise – und wie wir heute
wissen, in viel stärkerer Weise, als wir bisher dachten - an diese Erfahrung der Christen und der Juden
an. Er verkündetet auch den barmherzigen und allerbarmenden Gott. Für ihn stand
die Selbigkeit des gemeinten Gottes überhaupt nicht in Frage, schon weil er ihn
„Allah“ nannte, wie ihn die arabisch sprechenden Christen seiner Zeit schon
immer nannten. Denn Allah ist kein Name, sondern ein Begriff: er bedeutet
einfach nur Gott. So stand nicht die Selbigkeit Gottes in Frage, sondern die
Folgerungen, die aus der jeweiligen Gotteserfahrung gezogen wurden. Darin
spiegelt sich noch einmal die schmerzhafte Auseinandersetzung von Kirche und
Israel!
Nicht Gott selbst,
in seinem Sein, sondern der Weg war strittig. Aus Angst, dass die Majestät
Gottes durch das Gezänk der Menschen (und so erlebte Muhammad gerade auch das
Christentum seiner Zeit) berührt wird, sprach er so eindringlich von dem einen
Gott und war angstvoll bemüht, alles Menschliche aus ihm zu entfernen. Darum
spricht er unablässig von dem Erbarmen und dem Barmherzigen, vom Herrn der
Schöpfung. Darin nahm er auf, was er hörte, und zog daraus seine Konsequenzen. Man
muss sich, theologisch, fragen, wieviel Schuld daran eigentlich ein Christentum
trug, dem es offensichtlich nicht gelang, die Menschlichkeit Gottes klar zu
verkündigen.
Daraus stellt sich die Frage, ob nun nicht doch auch in
dieser Rede von Gott Spuren der Offenbarung zu finden sind, ob wir nicht doch
in dieser Erfahrung des gnädigen und allerbarmenden ein Echo hören können, einen
Funken Licht von dem Licht, das uns so hell strahlt? Natürlich ist das eine
dezidiert christliche Frage, und es ist eine dezidiert theologische Frage, die
mit dem Wirken des Geistes nicht außerhalb des Wortes, aber sozusagen am
äußersten Rand des Wortes rechnet. Denn auch Mohammed sieht sich in der
Abrahamskindschaft, sieht sich unter dem Wort. Jesus war ihm der größte
Prophet. Die Auferstehung der Toten war ihm wichtig, und das Gericht Gottes
über die Lebenden und Toten ein zentrales Anliegen. Können wir darin, und sei
es, je nach eigner Glaubenserfahrung, nun in dunkelster Abschattung, nicht doch
etwas Fleisch von unserem Fleisch erkennen? Nun aber nicht im Rückblick von der
Offenbarung her zurück, wie im Alten Testament, wo wir das Licht ganz hell
sehen, sondern sozusagen von der Offenbarung nach vorne, wo wir wiederfinden,
was auch uns gesagt wurde?
Tun wir gut daran, im Geist der Versöhnung und Vertrauen
auf das Wirken des Geistes, der weht, wo er will, dem Propheten diese
Aufrichtigkeit seines Glaubens, dieses Echo der Barmherzigkeit Gottes
zuzugestehen? Das ist die Frage! Sie stellt sich heute ganz neu, und deswegen
habe ich sie aufgenommen, weil wir so viel mehr wissen über den Islam und seine
Entstehung, über den Koran und die Sunna und ihre vielfältigen Verflechtungen
in die antike, christliche und jüdische Welt hinein, dass wir manches heute
ganz anders lesen also noch die Generationen vor uns. Glaube ist für uns ohne
historische Kritik nicht mehr denkbar!
Es war doch die theologische Kritik im Verein mit der
historischen Kritik, die uns in den Stand setzte, uns mit unsere eigenen
Vergangenheit der Gewalt und der Unbarmherzigkeit, für die wie Zeugnisse auch in
unsere eigenen Schriften finden, auseinanderzusetzen. Wir haben doch gelernt,
den Geist des Wortes vom Buchstaben der Schrift so zu unterscheiden, dass uns
die Gnade Christi noch einmal ganz neu leuchtet, wie es ja übrigens auch Luther
geschah: Die Reformation war Kritik an der Auslegung der Schrift, aber sie war
auch immer Kritik an der Schrift selber! Aber nie stellte er, wie hart seine
Kritik auch war, in Frage, dass es um denselben Gott geht in seinem Ringen mit
Rom. Ja, gerade deswegen rang er ja! Wir erschrecken doch vor uns selber als
Religion und erkennen, dass der Glaube und die Religion eben nicht automatisch
deckungsgleich sind, sondern dass der Glaube, wenn er als Religion auftritt,
ganz schnell gerade in die Fänge der Unbarmherzigkeit gelangen kann. Können wir
also andersherum nicht auch in den Worten des Propheten Wort von unserm Wort
erkennen, und gerade von daher umso deutlicher, umso klarer sagen, was uns
beunruhigt? Sehen wir nicht wie ein einem Spiegel die Gefahr von
Gesetzlichkeit, Enge und Unbarmherzigkeit im Namen des barmherzigen Gottes, die
so die Menschlichkeit Gottes gerade verfehlt? Wird das alles nicht noch
schärfer, deutlicher, klarer, wenn wir denselben Gott voraussetzen, der hier
missverstanden wird, wie auch wir ihn oft missverstehen? Es gibt Formen des
Christentums, die dem Islam, dem radikalen Islam, darin sehr nahe sind!
Können wir nicht hier auch jene Stimme wenigsten leise
hören, die wir alle am jüngsten Tage in voller Stärke hören werden? Und sollte
uns nicht gerade das in die Lage versetzen, im Gespräch mit der Religionen
gerade als Christen die Hand auszustrecken und bei dem zu beginnen, wo wir uns
überschneiden? Bei Abraham, bei Jesus, dem Sohn der Maria, bei der Auferstehung
der Toten und dem jüngsten Gericht? Schaut man aus dieser Perspektive auf den
Islam als einer Form des Glaubens, der nach Christus kommt (wie er selber nach dem Judentum gekommen ist), verschieben
sich die theologischen Perspektiven. Wir sind alle eingeschlossen in den
Unglauben! Letzte Gewissheit gibt es nicht, aber die Barmherzigkeit ist ein
starkes Kriterium der Wahrheit.
Erkennen wir in ihm Spuren, Elementes unseres
Glaubens, ein Echo des Dreieinigen Gottes, gerade auch in der Abwehr
dieses Gedankens, die vielleicht einfach nur ein krasses Missverständnis ist,
genährt aus Enttäuschung und Faszination, die dann in den Hass umschlug, den
wir als Christen gegenüber Israel doch auch nur zu gut kennen?
Sind wir nicht gerade darin einander oft näher, als uns
lieb ist? Sind Moslems "Ungläubige", "Heiden", oder sind sie „verlorene“
Geschwister? Wirklich sicher war sich die Theologie darin nie, und es gab
Zeiten, wo sie sich ganz sicher wahr: was uns trennt, ist, was uns eint.
Der erste Zeuge dafür, das Mohammed ein Prophet sein
könnte, so erzählt die Prophetenvita, war ein Christ – und „Monotheist“ war er
schon vorher: Die Vielgötterei und der Unglauben, verstanden als die Leugnung
der Existenz des einen Gottes, war ihm schon vorher ein Schmerz.Er war ein "hanif", wie Abraham und alle nach ihm.
Begegnen wir uns so, dann streiten wir nicht um Gott
selber, sondern um die Gotteserkenntnis, dann streiten wir über den Weg.
Gerade wenn wir als Christen im Vertrauen auf die Weite des Wortes Gottes um
die eigene Enge wissen (weil wir uns vor ihm als Sünder erkennen), könnten wir
entspannt in das Gespräch gehen, teilen wir doch den Glauben an den Schöpfer
und Erhalter, den Erbarmenden und den Richter, der noch in seinem Zorn gütig
ist (Römerbrief!). Und das heißt doch auch, und das ist das Anliegen: auch die
islamische Seite muss lernen, muss genau hinsehen, muss genau fragen, was wir
eigentlich meinen, wenn wir Jesus den Sohn Gottes nennen und Gott in dreifacher
Gestalt beschreiben, denn hier liegen die Differenzen, nicht in der Gottesfrage
als solcher.
Das ist eine moderne Unterscheidung, die dem, was wir meinen, nicht immer gerecht wird, weil sie abstrakt ist und einen Vernunftgott konstruiert, von dem her alles nur als Defizit, als Mythos, Legende oder gar Lüge erscheint. Wollen wir uns dem beugen, oder lieber die Lebendigkeit Gottes dagegensetzen?
Das ist eine moderne Unterscheidung, die dem, was wir meinen, nicht immer gerecht wird, weil sie abstrakt ist und einen Vernunftgott konstruiert, von dem her alles nur als Defizit, als Mythos, Legende oder gar Lüge erscheint. Wollen wir uns dem beugen, oder lieber die Lebendigkeit Gottes dagegensetzen?
Dann brauchen wir einander nicht den Glauben abzusprechen,
als säßen sich, wenn Moslems und Christen miteinander reden, Heiden und
Atheisten gegenüber. Denn was der Islam in Teilen von uns denkt, beruht auf
Missverständnissen, Verzerrungen und Fehldeutungen, auf beiden Seiten, die zum
Teil historisch Gründe haben und auch zum nicht geringen Teil in den
Streitereien der Christen zur Zeit des Mohammed untereinander gegründet sind.
Wer weiß, auf welche deformierte Form des Christentums er gestoßen ist. Da
zeigt sich sogar eine kritische Anfrage des Islam an uns, wenn man in die
gemeinsame Geschichte schaut! (Wie ja die Reformatoren überzeugt davon waren,
dass die „Türken“ Gottes Gericht an uns sind).
Vieles von dem, was dem Propheten als Christentum
begegnete, wäre uns heute auch sehr fremd und ist nicht ohne Grund aus dem
Christentum verschwunden. Könnten wir nicht, gerade aus der trinitarischen
Gelassenheit hinaus, die ja gerade beim versöhnenden Gott ansetzt, der immer
noch größer ist, als unsere Vernunft (was übrigens der eigentliche Sinn von „Allahu
akbar“ ist), nicht mit jenen Kräften im Islam zusammenkommen und sie stützen,
die das erkennen und so auch beginnen, die eigene Geschichte kritisch zu sehen,
und den Koran und die Sunna zu befragen, wie er es denn mir der Barmherzigkeit
hält und von daher auch die Tradition neu wahrnehmen? Der Islam ist so
vielfältig, da gibt es viele Anküpfungspunkte, und die Mystiker auf beiden
Seiten waren da immer schon ganz nah beieinander. Aber das ist noch einmal ein
weiteres Thema, übel beleumundet, wie die Mystik nun einmal ist.
Diese modernen, islamischen Gelehrten sichten auch, wie wir nach unserer
leidvoll-gewalthaltigen Geschichte, mit theologischer und historischer Kritik
ihren eigenen Glauben neu. Denn die Gefahr eines am Dogma, am Wortlaut und an
der „Lehre“ verzweifelt festhaltenden Fundamentalismus bedroht uns alle, hüben
wie drüben. Und die, die das im Islam sehen, werden mehr und lauter. Was wir
brauchen, ist eine Solidarität der Religionen.
Das Judentum ist unsere Wurzel, darüber müssen wir nicht
streiten. Wer hier einen anderen Gott sieht, sieht unseren Gott nicht. Aber der
Islam kam nach uns und reagierte auf uns.
Wollen wir ihm ernsthaft absprechen, doch etwas von dem gehört zu haben, was
wir gehört haben? Schon die Sprache des
Koran zeigt die Nähe, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht.
Es gab auch im Christentum immer wieder die Tendenz zu einem sich verhärtenden, ausschließenden „Monotheismus“, der sich zugleich als moralischer Rigorismus zeigte und furchtbar wurde – das ging oft zu Lasten des Bekenntnisses zum Dreieinigen Gott! Hier wurde zwar der Namen Christus im Munde geführt, aber in er Hand das Schwert. „Allahu Akbar“ und „Deus lo vult“ sind so weit nicht voneinander entfernt, wie wir manchmal gerne hätten. Das sollten wir aus den Forschungen Jan Assmans, aber auch aus der aufklärerischen Kritik nun wirklich gelernt haben, was „Monotheismus“ bedeuten kann.
Aber ist die Lehre vom Dreieinigen Gott wirklich „Monotheismus“ in diesem Sinne? Und haben wir da nicht etwas einzubringen in den theologischen Diskurs der Religionen, das heilende Kraft haben kann, weil es einen weiten, und eben nicht einen engen Gott beschreibt?
Es gab auch im Christentum immer wieder die Tendenz zu einem sich verhärtenden, ausschließenden „Monotheismus“, der sich zugleich als moralischer Rigorismus zeigte und furchtbar wurde – das ging oft zu Lasten des Bekenntnisses zum Dreieinigen Gott! Hier wurde zwar der Namen Christus im Munde geführt, aber in er Hand das Schwert. „Allahu Akbar“ und „Deus lo vult“ sind so weit nicht voneinander entfernt, wie wir manchmal gerne hätten. Das sollten wir aus den Forschungen Jan Assmans, aber auch aus der aufklärerischen Kritik nun wirklich gelernt haben, was „Monotheismus“ bedeuten kann.
Aber ist die Lehre vom Dreieinigen Gott wirklich „Monotheismus“ in diesem Sinne? Und haben wir da nicht etwas einzubringen in den theologischen Diskurs der Religionen, das heilende Kraft haben kann, weil es einen weiten, und eben nicht einen engen Gott beschreibt?
Weder ein Relativismus, der alles für eins erklärt und
sich in naiver Wiese auf Abraham beruft, als wäre damit alles klar, noch ein
monotheistischer oder christologischer Rigorismus, der sich an Worte klammert
und mit Gottes Lebendigkeit nicht rechnet, kann der Weg sein zum Frieden, den
doch alle drei Religionen suchen und einander zusprechen: Schalom! Pax vobiscum!
Salam aleikum! Uns verbindet mehr als nur der „Monotheismus“, ein Wort, dass
mir immer suspekter wird, weil das Gefühl habe, dass alle drei Religionen damit
nicht hinreichend in ihrem Selbstverständnis beschrieben sind. Sollten, können,
ja müssten wir als Christen nicht gerade von hier aus einladend werben, das
Gespräch noch einmal neu zu beginnen: Nicht als Ungläubige zu Ungläubigen,
sondern als Hörende zu Hörenden? Nicht als "Missonare", sondern werbend? Sollte uns gerade unser christliches Vertrauen
auf die immer noch größere Gnade Gottes nicht gelassen machen? Unsre wirklichen
„Gegner“ sind doch die Gottesleugner und die Wald- und Wiesen-Frommen, die sich
einen Irgendwie-Gott erträumen. Da gibt es nichts, und immer weniger, zum
Anknüpfen.
Der Dreieinige Gott, der größer ist als unsere Vernunft,
sollte uns gelassen machen und zugleich hellwach für die Barmherzigkeit. Und
das sage ich gerade, weil ich Christ bin und die Not vieler muslimischer
Frommen sehe, die doch auch unsere Not ist. Furcht ist nicht in der Liebe.